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Der Besuch (meiner großen Schwester gewidmet)

Der Besuch. (meiner GROßEN Schwester gewidmet)

Der Erhabene  kommt mit seinen Bodhisattvas  in die leidende Stadt GE. Die Menschen erwarten eine politische oder soziale Befreiung und eine Lösung ihrer Probleme durch eine Demonstration der Macht an die "da oben". Stattdessen setzt sich der Erhabene in die Fußgängerzone und meditiert neun Tage lang.

An Tag drei erklärt er: "Form ist Leere." Auf die Nachfrage einer jungen Frau, was Form sei, gibt er scheinbar widersprüchliche Antworten: Form ist Denken, Form ist nicht Denken, Form ist Glück, Form ist Unglück. Als sie nach der Liebe fragt, antwortet er nur: "Liebe ist." Am sechsten Tag kehrt er die Aussage um: "Leere ist Form."  Die junge Frau fragt erneut: Was wünscht du uns? Der Erhabene antwortet: Raum . Am neunten Tag verlassen sie die Stadt, ohne eine konkrete weltliche Tat vollbracht zu haben. 

 

Der Versuch einer Erklärung :

1. Der Irrtum der Erwartung

 

Die Bürger von GE hoffen auf einen externen Retter ("wird uns befreien", "denen da oben zeigen"). Der Erhabene weigert sich jedoch, die Rolle des politischen Reformers anzunehmen. Seine dreitägige Meditation ist die Ablehnung des direkten Handelns und ein klares Zeichen, dass die Lösung nicht in der Politik, sondern im Geist liegt.

 

2. Die Weisheit des Herz-Sutras

 

Die zentrale Lehre "Form ist Leere. Leere ist Form." stammt direkt aus dem Herz-Sutra des Mahayana-Buddhismus.

  • Form ($R\bar{u}pa$): Bezeichnet die materielle Welt, die Dinge, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen (Körper, Gedanken, Glück, Unglück – alles, was eine Gestalt hat).

  • Leere ($S\bar{u}~{n}yat\bar{a}$): Bedeutet nicht "nichts", sondern "Leerheit von inhärenter Existenz". Es besagt, dass keine Form – kein Ding, kein Gedanke, kein Glück – eine unabhängige, unveränderliche Essenz besitzt.

  • Botschaft: Die materiellen Probleme der Stadt (Leiden) sind nicht fest und endgültig. Ihre wahre Natur ist die Leerheit. Die Menschen müssen ihre Leiden nicht politisch besiegen, sondern geistig auflösen, indem sie erkennen, dass die Leiden selbst nur vorübergehende, gedachte Konstrukte sind.

 

3. Die Rolle der Liebe

 

Die Frage nach der Liebe erhält die einzige absolute und uneingeschränkte Antwort: "Liebe ist."

  • Während Glück, Unglück und Denken als Form der Leere unterliegen (sie sind vergänglich), wird die Liebe als eine ewige, grundlegende Realität dargestellt, die über die Dualität von Form und Leere hinausgeht.

  • Dies deutet darauf hin, dass die universelle Liebe (Karuna/Metta) der einzige unveränderliche Wert und die einzige wahre Kraft zur Veränderung ist.

Die Geschichte endet damit, dass der Erhabene die Stadt verlässt, weil die Lehre gegeben wurde. Die wahre "Befreiung" muss jeder Mensch in seinem eigenen Geist beginnen.